Der Komet P55/Tempel-Tuttle und die Leoniden
Die Entdeckung des Kometen
Zu Tempels bekanntesten Entdeckungen gehören die vier nach ihm benannten kurzperiodischen Kometen 9P/Tempel 1 , 10P/Tempel 2 , 11P/Tempel-Swift-LINEAR und 55P/Tempel-Tuttle. Letzterer wurde am 19. Dezember 1865 von W.Tempel in Marseille und unabhängig von ihm am 5. Januar 1866 von H.P.Tuttle in Cambridge (USA) als „ziemlich ausgebreiteter verwaschener Nebel“ erkannt. Im Januar durchlief er als erster Komet des Jahres 1866 das Perihel und erhielt somit die Bezeichnung 1866 I. Neptun-Entdecker J.G.Galle nannte ihn in seinem Kometenkatalog von 1894 den Vierten Tempelschen Kometen. Man ermittelte für ihn eine teilweise innerhalb der Erdbahn verlaufende Ellipse mit 33 Jahren Umlaufzeit. Erstaunlich war, dass diese Ellipse schon einmal das Resultat einer ganz anderen Berechnung war...
Die Leoniden
Damals hatte der später (1877) auch durch seine „Marskanäle“ bekannt gewordene Giovanni Virginio Schiaparelli (1835 -1910) die Bahn des Meteorstromes der Leoniden bestimmt, dessen Bestandteile alljährlich Mitte November in die Erdatmosphäre eindringen und in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten im Sternbild Löwe eine verstärkte Sternschnuppentätigkeit hervorrufen. Hatten der Komet 1866 I und der Leonidenstrom nur zufällig übereinstimmende Bahndaten? Schiaparelli erarbeitete unter Einbeziehung eines weiteren Meteorstrompaares (Komet 1862 III / Perseiden) jene interessante Theorie, nach welcher die Partikel eines Meteorstromes Auflösungsprodukte eines Kometen sind. Die meist nur millimetergroßen Mikrometeorite verteilen sich entlang der Kometenbahn. Immer dann, wenn die Erde die Kometen- bzw. Meteorstromellipse schneidet, werden Sternschnuppen erzeugt, welche alle aus demselben Punkt des Himmels hervorzuquellen scheinen. Die Bezeichnung des Meteorstromes wird in der Regel vom Namen desjenigen Sternbildes abgeleitet, in welchem dieser Quellpunkt (Radiant) liegt. In unserem Fall ist das der Löwe (lat. Leo, daher Leoniden). Nachdem zwischen dem Kometen 1866 I und den Leoniden eine kausale Beziehung hergestellt worden war, vermochte man, hier ältere Beobachtungsprotokolle einzuordnen. So wurde Alexander von Humboldt am Morgen des 12. November 1799 in Venezuela zufällig Zeuge eines beeindruckenden Sternschnuppenschauers. Einwohner „erinnern sich, daß den großen Erschütterungen von 1766 eine ganz ähnliche Erscheinung voranging“. Obwohl die Leoniden-Sternschnuppen im Normalfall mit nur etwa sechs Meteoren pro Stunde zu Buche schlagen, kam es nicht nur 1766 und 1799, sondern auch 1833, 1866, 1966 und in den Jahren um 2001 zu sehr viel ergiebigeren Sternschnuppen. Wie Sie weiter unten lesen können, kann man dieses Phänomen heute gut erklären.
Warum der Leonidenkomet erst 100 Jahre nach seiner Entdeckung einen Namen erhielt
Der von Tempel gefundene Mutterkomet 1866 I konnte nachträglich mit Erscheinungen der Jahre 1366 und 1699 identifiziert werden. Allerdings blieb das Bemühen, den 1899 erwarteten Kometen aufzufinden, ohne Erfolg. Nachdem man auch 1932 ergebnislos gesucht hatte, galt der Komet als verschollen.
Nach 1960 sichtete und verarbeitete man nochmals frühere Beobachtungsdaten. Daraus errechnete der Heidelberger Joachim Schubart jenen Ort am Himmel, wo das vermisste Objekt im Februar/März 1965 möglicherweise auftauchen könnte. Wieder suchte man vergebens. Doch Monate später prüfte Schubart Fotoplatten, die am südafrikanischen Boyden-Observatorium belichtet worden waren. Aufnahmen vom 30. Juni und 1. Juli 1965 zeigten nun endlich das verloren geglaubte Objekt. Erst jetzt, wo seine Bahnparameter aktualisiert und er im wahrsten Sinne des Wortes wieder berechenbar geworden war, durfte er endgültig benannt werden. Der schon 1865/66 von Tempel und 17 Tage später auch von Tuttle entdeckte Komet erhielt 100 Jahre später den Namen „Tempel-Tuttle“ und wird nach heutiger Nomenklatur 55P/Tempel-Tuttle genannt.
Die Meteorstürme in den Novembertage der Jahre 1998 bis 2002
Die periodische Wiederkehr außergewöhnlicher Leoniden-Ereignisse wurde bis 1998 damit erklärt, dass sich auf der Bahnellipse des Kometen neben mehr oder weniger gleichmäßig verteilten Partikeln auch eine Meteoritenwolke befindet, die dem Kometen 1866 I im Abstand von einigen Wochen mit der gleichen Umlaufzeit von 33,3 Jahren folgt. Dieses Modell kann jedoch kaum erklären, warum die alle 33 oder 34 Jahre auftretenden
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